Biofore Magazin 2022

Von Asa Butcher Fotos Teemu Leinonen, LUT

IM RAMPENL ICHT

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Wie waren Ihre bisherigen Erfahrungen als Professor an einer finnischen Universität? DieFernvorlesungenvonKalifornienauswareneineHerausforderung, aber geradebauenwir fast ganz ausbaltischemHolz einenTelepräsenz- roboter, durch den ich zumindest ein bisschen vor Ort sein kann. Er lässt sich ganz flach in Einzelteilen verpacken, wie IKEA-Möbel. Bei dem Roboter bestehen sogar einige Buchsen, Lager und Gewindespin deln ausHolz. Dafür habenwir einfach Löcher gebohrt undmit Öl oder Fett imprägniert (weitere Informationen auf Seite 54). Ich bin jedes Jahr für ein oder zwei Wochen in Finnland, aber dabei fühle ich mich immer wie ein Promi, der nur kurz auftaucht, mit den Leuten redet und dann wieder verschwindet. So kann ich leider nicht mit den Studenten in einen Diskurs über meine Ideen treten. Das wäre mir wichtig. Ich möchte ihnen eine ausgewogene Ausbildung bieten, inder sie das, was sie indenVorlesungen lernen, selbst auspro bieren können. Ambesten kannman etwas verinnerlichen, wennman selbst Hand anlegt. Wie wichtig ist es, den Studenten der LUT etwas über nachhal tigeWerkstofftechnik beizubringen? Dieses Thema ist einer der Schwerpunkte des Jamie Hyneman Centers, und auch die LUT legt darauf seit Langem großen Wert. Als ich in Finnland ankam, erkannte ich, dass Holz als natürliche Ressource reichlich vorhanden ist und dass es die finnische Kultur maßgeblich geprägt hat. Ich habe mit UPM darüber gesprochen, wie wichtig es ist, nachhaltige Produkte in die Lieferkette einzubinden. Erfindungen und neue Ansätze können erst dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn sie tatsächlich genutzt und vermarktetwerden. Tatsa che ist, dass die Einführung von Neuentwicklungen immer mit Kos ten verbunden ist. Waren Sie im Laufe Ihrer Karriere immer darauf bedacht, das Konzept der Nachhaltigkeit in Ihre Forschungsarbeit zu inte- grieren?

mawandel mit sich bringt, und wir haben zu lange herumgetrödelt und zu wenig unternommen. Ich möchte, dass wir so viel Arbeit wie möglich in nachhaltige Strukturen und verantwortungsvolles Res sourcenmanagement stecken, bevor es zu spät ist. Welche Materialien haben noch ungenutztes Potenzial? Ich bin schon lange von Holzwerkstoffen fasziniert. Leim- und Sperr- holz sind ja schon langebekannt, aber ichdenke, dass eshiernochEnt- wicklungspotenzial gibt. An der LUT haben wir mit sehr belastbaren, fachwerkähnlichen Konstruktionen experimentiert. Mit solchen Dreiecksformen kön nen wir die gesamte Holzstruktur leichter machen. Zusammen mit den Studenten habe ich einen Sperrholzträger hergestellt, der die Dimensionen von handelsüblichen Leimholzträgern, aber nur ein Zehntel ihres Gewichts hat. Mit einem der Wägezellentester der LUT werden wir das Leimholz und dann unsere Fachwerkstruktur testen, um den Leistungsunterschied zu ermitteln. Wenn unser Produkt 50 % der Belastung aushält, ist das schon ein Erfolg. Bei der Suche nach Möglichkeiten zur Minimierung der benötigten Masse entsteht eine Feedbackschleife, die dafür sorgt, dass die Produkte immer leichter und belastbarer werden. Welche anderen Innovationen interessieren Sie? Ich habe gesehen, dass Holz statt Polyurethan oder Styropor für die Herstellung von Schaumstoffen eingesetzt wird. Ich glaube, man pul verisiert dafür einHolzprodukt oder polarisiert Cellulose aus Bäumen und versetzt das dann in einer Suspensionmit Gas. Lignin und andere chemische Komponenten auf Holzbasis bilden den Klebstoff, der die fein gemahlenen Partikel zusammenhält. Der Schaumstoff hat eine hervorragende Isolierwirkung und kann komplett ohne Erdöl hergestellt werden. Wenn ein solcher Schaum stoff auf der Deponie entsorgt wird, zersetzt er sich auf natürliche Weise und es entstehen keine Umweltschäden. Holz kann auf unendlich viele Arten verarbeitet werden. Mein größtes Pro-

Ich bin auf einer Apfelplantage imMittlerenWesten der USA aufgewachsen und konnte mit eigenen Au gen sehen, welchen Fußabdruck wir darauf hinter ließen. Es gab mehrere kleine Seen auf dem Grund stück, die kristallklar und voller Fische waren. Doch nachdemmein Vater die Obstplantage jahrelangmit modernen landwirtschaftlichen Praktiken bear beitet hatte, wurden die Seen trüb und die Fische verschwanden. Seitdem tue ich alles, um meinen Fußabdruck zuminimieren. Nachhaltige Technik kann die Welt tiefgreifend beeinflussen. Wir wissen, welche Probleme der Kli

blem ist jedoch, dass das sofort nach hinten losgehen kann,wennForstwirtschaftundHolzerntenichtnach haltig betrieben werden. Was ist Ihrer Meinung nach die Grundlage von Innovationen? Letztendlich ist es Neugier. Junge Menschen sind von Haus aus neugierig. Wenn sie spielen, probie- ren sie Dinge aus und stellen Fragen. Ein Ausbil dungssystem, das auf Indoktrination beruht, anstatt die Schüler zu Fragen zu ermutigen, ist nicht förder lich für Innovationen. Das haben wir entdeckt, als wirMythBusters drehten.

„[Ich erkannte], dass Holz als natürliche Ressource reichlich vorhanden ist und dass es die finnische Kultur maßgeblich geprägt hat.“

Wir waren spielfreudig und zerstörten Sachen – das verlieh unserem Konzept eine rebellische Note. Dem Publikum gefiel das. Wir waren wie Kinder, die lernten, mit der Welt umzugehen. Wenn man dabei methodisch vorgeht, kannman so Einiges auf die Beine stellen.

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