Biofore Magazin 2022

REPORTAGE

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Schon jetzt gibt es ein großes kommerzielles Interesse an der Bio- chemikalien-Raffinerie, die bis Ende 2023 fertiggestellt sein soll, ob wohl das Emissionsreduzierungspotenzial der dort hergestelltenPro dukte laut Pesonen noch gar nicht vollständig untersucht wurde. „In Leuna geht es nicht nur um PET-Flaschen oder Ruß. Biomole küle finden Sie überall, sogar in diesem Konferenzraum. Wir werden für unsere Produkte die optimalen und am besten geeigneten Endan wendungssegmente mit der höchsten Marktdurchdringung und ei nemattraktiven Preis ermitteln.“ Stolz auf Papier Pesonen ist mit dem Geschäftsportfolio des Unternehmens, das Wachstumsunternehmen, neue biobasierte Geschäfte und ein reifes Papiergeschäft umfasst, zufrieden. Das bewährte Portfolio sah nicht immer so aus. „Als ich im Jahr 2004 bei UPM eintrat, war die Denkweise: Global agieren, sich auf ein Geschäft konzentrieren, andere verkaufen und die Bilanz effizient nutzen. Etiketten, Energie, Zellstoff und Sperrholz – alles wurde infrage gestellt. Ich weiß nicht, warum ich damals nicht auch so dachte, aber so war es nun einmal. Seiner Erinnerung nach war er der Auffassung, es gäbe zwei Krite rien, wonach ein Geschäftsfeld zu UPM passte. Einerseits musste es als Rohstoff Forstbiomasse nutzen, und andererseits musste es für eine Spitzenstellung in seinem jeweiligen Sektor gut sein. „Bei Raflatac haben wir bewiesen, dass wir wachsen können und wettbewerbsfähig sind. Das Wachstum lag bei fast 5 % pro Jahr, und dieMargen haben sich verdoppelt. Das gilt zumBeispiel auch für Zell stoff, wo wir schnell zu einem der weltweit führenden Unternehmen wurden.“ Die Entwicklung von einem reinen Papierhersteller zu dem Un ternehmen, das UPMheute ist, hat 20 Jahre in Anspruch genommen. UPMmusste sichnicht nur auf die rückläufigeNachfrage nachDruck papieren einstellen, sondern auch die Fähigkeit entwickeln, bahnbre chende Innovationen wie biochemische und biomedizinische Pro dukte hervorzubringen. Bei Gesprächen über die Transformation des Unternehmens er wähnt Pesonen stets, dass UPM das einzige Unternehmen ist, in dem Papier immer noch eine starke Rolle spielt: „Das Papiergeschäft liefert uns freien Cashflow für Wachstum und Innovationen und sorgt für eine gesunde Bilanz. Ich binwirklich stolz auf Papier.“ Auf demWeg zurWasserstoffwirtschaft Die Biochemikalien-Raffinerie in Leuna ist ein wichtiger Schritt zum Ersatz fossiler Materialien in vielen Konsumprodukten. UPM pro duziert CO₂-freie Energie aus Kern- und Wasserkraft, was Pesonen zufolge die Voraussetzung für ein stabiles Ergebnis ist. Er sieht in naher Zukunft Möglichkeiten, kohlenstofffreien Strom und biogenes CO₂ aus Fabriken zu neuen Produkten zu kombinieren. „Das kommerzielle Potenzial vonWasserstoffwird sich in den kom menden Jahren zeigen. UPM ist auf einem sehr guten Weg zur Wass erstoffwirtschaft“, so Pesonen. „Das Papiergeschäft liefert uns freien Cashflow für Wachstum und Innovationen und sorgt für eine gesunde Bilanz. Ich bin wirklich stolz auf Papier.“

Die Energiekrise hat dazu geführt, dass in der Klimadebatte einige Grundsatzfragen zu klären sind. Die Klimapolitik wurde kritisiert, da sie sich laut Pesonen zu sehr auf CO₂-Senken und -Kompensa tion und zu wenig auf den Ersatz fossiler Rohstoffe und Brennstoffe konzentriert. „CO₂ -Kompensation wird das Problem nicht lösen. Die Lösung liegt in der Entwicklung von Produkten, die fossile Materialien er setzen, und das wird nicht über Nacht möglich sein. Darauf sollte sich die Diskussion konzentrieren.“ UPM ist in Finnland ein wichtiger Akteur auf dem Gebiet der Energiesicherheit. Das Unternehmen ist nicht nur ein großer En ergieverbraucher, sondern auch ein großer Energieproduzent und ein wichtiger Lieferant von Ausgleichsenergie und die Sicherung der Stromversorgung in Finnland. Kultur der kontinuierlichen Verbesserung Neben einer klaren Strategie, einem robusten Geschäftsmodell, ei- ner starken Bilanz und dem Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit sieht Pesonen bei UPMnoch eine weitere besondere Stärke. „In unseremUnternehmen herrscht eine Kultur der kontinuierli chen Verbesserung. Man könnte sagen, dass Begeisterung und Neu gier für die Zukunft in der DNA des Unternehmens liegen.“ Diese Kultur wird dadurch gestärkt, dass die Mitarbeitenden von UPM das Gefühl haben, in einem Unternehmen, das eine Vorreiter rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielt, eine sinnvolle Arbeit zu leisten. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Eigenverant wortung der einzelnen Geschäftsbereiche – von den Rohstoffen bis hin zu den Kunden. „Unsere Mitarbeitenden spielen eine zentrale Rolle. Wenn die richtigenMenschen am richtigen Ort zusammenarbeiten, liefern sie Erfolge und Ergebnisse. Und auch die Führungskräfte müssen eine starke Leistung bringen. Manchmal mussman sich Trends widerset zen und seiner Vision vertrauen können“, so Pesonen. So war es auch, als im letzten Frühjahr die finnische Papierarbei- tergewerkschaft in einen Streik trat. Die Motive der Geschäftslei tung von UPMwurden öffentlich und teils sehr rigoros kritisiert. „Unser klares Ziel war es, für UPM geschäftsbereichsspezifische Tarifverträgezuschließen,umiminternationalenUmfeldkonkurrie- renzukönnen.Dasistunsgelungen,unddieneuengeschäftsbereichs- spezifischen Vereinbarungen schaffen die Voraussetzungen für unseren zukünftigen Erfolg in Finnland“, so Pesonen. „Management und Mitarbeitende können nun gemeinsam daran arbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmenseinheiten imweltweitenWettbewerb sicherzustellen. Denn genau darum geht es.“

JUSSI PESONEN Jussi Pesonen ist seit 2004 President & CEO und wird 2024 in den Ruhestand gehen. Seit 1987 bekleidete er verschiedene Führungspositionen bei UPM. Er wurde 1960 geboren und besitzt einen Master-Abschluss in Verfahrenstechnik.

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