UPM_Biofore-Magazine-2-2017-GER

Für die Kunden des Buchladens „Lesesaal“ ist das Herzstück der Wohnung ihr Bücherregal. Viele Menschen lesen hauptsächlich abends und bevorzugen gedruckte Bücher anstelle von E-Books, da das bläuliche Licht von Mobil­ geräten sich negativ auf den Schlaf auswirkt.

dass Alexandre Dumas „Graf vonMonte Christo“ ihn am stärksten beeindruckt habe. Eine andere erinnert sich an den Kraftakt, sich durch Goethes Roman „Wahlverwandtschaften“ zu arbeiten. Eine dritte hat in ihrer Jugend sämtliche Werke von Franz Kafka gelesen. Ein Regal mit vertrauten Büchern zu haben schafft ein Gefühl von Sicherheit und Zuhause. Dabei ist es nicht schlimm, wenn Seiten herausfallen oder die Ecken Eselsohren haben, nachdem ein Buch wieder und wieder gelesen wurde – ein Schicksal, das demE-Book glücklicher­ weise erspart bleibt. Die Buchliebhaber im „Lesesaal“ hören auch Auszüge aus zwei franzö­ sischen Romanen. Der erste handelt vom lauten Klappern einer Remington- Schreibmaschine, der zweite zaubert eine Autofahrt durch die französische Provinz herbei. In diesem Jahr haben viele franzö­ sische Bücher, die ins Deutsche über­ setzt wurden, ihrenWeg in deutsche Bücherregale gefunden. Nach diesem Abend werden sicherlich auch einige die Romane von Laferrière und Paravel aufnehmen. 

PREIS FÜR INNOVATIVE BUCHHÄNDLER Zwei winzig kleine Auszeichnungen hängen im Schaufenster des Buchladens „Lesesaal“ in Hamburg: Deutscher Buchhandlungspreis 2015 und 2016. Dieser Preis wird unter privat geführten Buchhandlungen mit einem Umsatz unter 1 Million Euro vergeben, um ihren großen Einsatz für die Förderung von Literatur zu würdigen. „Die Auszeichnung steigert das Ansehen von Buchhändlern in der Branche. Sie werden so ernster genommen und zu literarischen Ver- anstaltungen eingeladen“, erklärt Stephanie Krawehl, die preisgekrönte Buchhändlerin. Krawehl organisiert regelmäßig Veranstal­ tungen in ihrem Buchladen, nimmt aktiv am literarischen Leben Hamburgs teil und bemüht sich darum, Literatur in Schulen und Kindergärten zu vermitteln. In Deutschland gibt es etwa 6.000 Buchhand­ lungen. Kleine, privat geführte Buchläden sind in vielen Städten ein sehr präsenter Bestand­ teil der urbanen Landschaft. Der Deutsche Buchhandlungspreis wird vom Staatsministe­ rium für Kultur und Medien verliehen und wurde 2015 ins Leben gerufen. Er würdigt die hohe Bedeutung der Buchhändler, die die Literatur am Leben erhalten. Der Preis wurde erstmals 2015 vergeben.

Frankreich als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2017. Krawehl führt den Roman „Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben, ohne zu ermüden“ von Dany Laferrière an – eine Neuerscheinung, von der anscheinend noch niemand imPublikum gehört hat. Als Nächstes stellt sie „Die Schönheit des Kreisverkehrs“ von Dominique Paravel vor, deren Name den Anwesenden offenbar auch neu ist. Deutschland hat rund 82Millionen Einwohner. Im Jahr 2015 wurden hier knapp 90.000 neue Titel veröffentlicht. Der Umsatz der Verlagsbranche im glei­ chen Jahr lag bei über 9Milliarden Euro. Ohne die Lesetipps der Buchhändler wären viele Leser überfordert, in einem derartig großen Angebot das Richtige zu finden. Nach der Vorstellung neuer franzö­ sischsprachiger Romane diskutieren die Anwesenden noch über die Unterschiede zwischen gedruckten Büchern und E-Books. Und Unterschiede gibt es viele. „Bei gedruckten Büchern kannman langsamumblättern. Ein E-Book hinter­ lässt einfach nicht dasselbe Gefühl. Beide Varianten sind wie Blumen, aber das E-Book ist eine Blume ohne Duft“, beschreibt Buchclub-Mitglied Zouhair Mahmoud seine Gefühle. Das Bücherregal als Herz des Hauses Und was wäre ein Zuhause schon ohne Bücher? Die Vorstellung wirkt sehr fremd: AlleMitglieder des Buchclubs haben zu

Hause eine Bibliothek, die sie seit Jahren aufbauen. Gedruckte Bände schaffen eine gemütliche, heimelige Atmosphäre. Sie spiegeln zudemden Geschmack und die Ansichten ihres Besitzers wider. Mit einemBuch kannman demAlltag entfliehen. VieleMenschen assoziieren Bücher mit Urlaub, der besonderen Zeit im Jahr, in der sie endlich Zeit zum Lesen finden, besonders was Belletristik angeht. Es ist ein wunderbares Gefühl, ganz in einemBuch zu versinken, wie eine Reise zurück in die Kindheit. Viele Lesebegeisterte erinnern sich lebhaft an prägende Leseerlebnisse in ihrer Kindheit. Buchhändler Wolfgang Gierens kann dies bestätigen: Für ihn hatten die Bücher in seinemElternhaus großen Einfluss auf seine spätere Lese­ begeisterung. „Früher waren Bücher Statussymbole, aber das hat sich geän­ dert. Für mancheMenschen ist es dennoch immer noch sehr wichtig, in welchemFormat sie ein Buch lesen. Viele jungeMenschen bestehen darauf, Bücher nur gedruckt zu kaufen. Und dann erhalten die Bücher den ihnen zustehenden Platz imBücherregal“, sinniert Gierens.

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Gedruckte Bände schaffen eine gemütliche, heimelige Atmosphäre. Sie spiegeln zudem den Geschmack und die Ansichten ihres Besitzers wider.

Deutschland hat rund 82 Millionen Einwohner. Im Jahr 2015 wurden hier knapp 90.000 neue Titel veröffentlicht.

Der unvergleichbare Geruch von Druckerfarbe

Als sich das Gespräch den denkwür­ digsten Erlebnissen der Buchliebhaber zuwendet, kommt richtig Leben in den Raum. Einer der Anwesenden erzählt,

Weitere Informationen finden Sie unter: www.deutscher-buchhandlungspreis.de

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